"Des Knaben Wunderhorn" - was hat Gustav Mahler an den so unfertig scheinenden Gedichten aus der Sammlung alter deutscher Lieder von Achim von Arnim und Clemens Brentano gereizt? Wo doch seine berühmten Liedkomponisten-Kollegen aus dem 19. Jahrhundert weitgehend an den ungeschliffenen Diamanten der bereits 1806 erschienenen und sehr erfolgreichen Sammlung vorbeigegangen waren.
Vielleicht war es gerade die Unausgegorenheit der Zeilen; sie sind eigentlich eher "Fetzen, Streiflichter, Aromen" - findet Paul Bartholomäi: Mahlers Musik nistet genau in den offenen Spalten und Lücken der Texte. Mit dem Schlüssel der "Wunderhorn-Vertonungen" lässt sich auch die Tür zu Mahlers Sinfonien öffnen: Die zweite, die dritte und die vierte Sinfonie nehmen direkt Bezug auf "Wunderhorn-Lieder". Wo hat Mahler die elementare Einfachheit der Musik her? Paul Bartholomäi wagt eine kühne These...
Nein, natürlich gibt es um 1720 noch keine Klavierkonzerte, diese Gattung entstand erst ein paar Jahre später. Oder gab es doch schon eins? Denken darf man schon, dass Bachs 5. Brandenburgisches Konzert das erste Klavierkonzert ist, findet Paul Bartholomäi, auch wenn es die gestrenge Musikwissenschaft natürlich verbietet; denn es gibt in dem Konzert ja drei Solisten: Cembalo, Flöte und Violine. Aber das Cembalo drängelt sich unter ihnen ständig vor...
Das scheinbar so bekannte 5. Brandenburgische Konzert hat noch weitere Eigenartigkeiten zu bieten - Paul Bartholomäi deckt sie auf und versucht Deutungen, ob es sich nun um die von Antonio Vivaldi und Louis Marchand übernommenen Themen, die nicht ganz übersichtliche Entstehungsgeschichte, die abweichende Frühfassung oder auch um heutige Interpretationen handelt.
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Notenschlüssel - Mendelssohn: Sein Sommernachtstraum
Wer versteht schon die Handlung von Shakespeares "Sommernachtstraum"? Am ehesten wohl ein Fernsehzuschauer, der sich von Programm zu Programm klickt. So jedenfalls stellt Paul Bartholomäi sich vor, wie Shakespeare dieses bunte Theater entworfen haben könnte.
Und Felix Mendelssohn? Der erfand dazu schon mit 17 Jahren eine fantastische Ouvertüre in romantischen Farben, und einige Jahre später komponierte er noch eine komplette Schauspielmusik hinzu - wahrscheinlich eine der bekanntesten Schöpfungen des hochgebildeten und hochkultivierten deutschen Komponisten.
Deutsch? Seine Zeitgenossen empfanden ihn als den womöglich größten Exponenten deutscher Musikkultur - die Nachwelt allerdings seit Richard Wagner begann, das anders zu sehen und den betont evangelischen Musiker mit antisemitischen Angriffen zu verunglimpfen. Wie jüdisch oder wie deutsch war Mendelssohn? Auch an diesem Thema geht Paul Bartholomäi bei seinem Streifzug durch Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik nicht vorbei.
Was trieb den jungen Klavierkomponisten Johannes Brahms dazu, mit 22 Jahren drei Klavierquartette komponieren zu wollen - eine Gattung, die vor ihm nur von wenigen Komponisten mit dauerhaft erfolgreichen Produkten bedacht wurde?
"Klavier plus…" lag dem musikalisch geselligen Brahms jedenfalls am Herzen. Konnte er sich damit vielleicht auch ein Stückchen weiter den Weg zur großen Sinfonie bahnen? Dass die drei umfangreichen Klavierquartette von Brahms sinfonische Ausmaße und Ansprüche haben, ist vielen aufgefallen, und Arnold Schönberg hat das kurzerhand in die Tat umgesetzt: Er fertigte 1937 eine Orchesterbearbeitung des ersten Klavierquartetts op. 25 von Johannes Brahms an.
Paul Bartholomäi serviert eine Kostprobe aus dieser Brahms-Sinfonie von fremder Hand, wirft einen Blick auf die beiden Schwesterwerke des g-Moll-Quartetts, führt die Arbeitsweise des Komponisten vor, der - wie vor ihm schon Beethoven - aus kleinen Bausteinen große Gebäude konstruiert, und lässt natürlich auch die autobiographischen Hinweise des stets ironischen Brahms nicht aus.
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Notenschlüssel - Rossini: Alterssünden
Kennen Sie Künstler, die in Rente gehen oder sich zur Ruhe setzen? Gioachino Rossini war einer der wenigen, der seine musikalische Karriere als Opernkomponist früh beendet hat - mit 37 Jahren.
Doch anders als die Legende erzählt, hat er sich danach nicht nur der Kochkunst gewidmet, sondern durchaus noch komponiert, meist Klaviermusik für seine Abendgesellschaften. Knapp 15 Bände dieser Stücke hat er gesammelt und ihnen den ironischen Titel "Alterssünden" gegeben.
Paul Bartholomäi blättert durch diese Sammlung und stellt die schönsten, die skurrilsten, die absonderlichsten oder die überraschendsten dieser kleinen Klavierwerke vor, zeigt die Vielfalt dieser "musikalischen Partyhäppchen" auf und zieht Querverbindungen zu Chopin oder Satie.
Klassische Musik – noch Fragen? Paul Bartholomäi gibt ganz persönliche Antworten: In jedem Podcast entschlüsselt er ein anderes Werk, lässt Zusammenhänge hörbar werden, führt in die Welt der Komponisten. Weitere Folgen gibt’s hier ab dem 23. September.