Amtsgeheimnisse-Sonderreihe: Nahversorgung – Teil 4: Der Nahversorger als Herzschlagader der Gemeinde
In knapp einem Drittel aller Gemeinden gibt es keinen Nahversorger mit Vollsortiment mehr. Seit 2010 ist die Zahl der Nahversorger um weitere elf Prozent gesunken. Dafür greift eine andere Entwicklung Platz: Die Teilsortimenter (Tankstellenshops, bäuerliche Direktvermarkter und diverse Automatenshops) werden mehr. Ist das die Lösung für die Zukunft? Müssen die Gemeinden oder private Initiativen, Vereine und Genossenschaften übernehmen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist? Diese Fragen waren Thema einer Tagung, die unter dem Titel „Hat die Nahversorgung ausgesorgt?“ am 13. Mai 2025 im Haus der Industrie stattfand. Der Österreichische Gemeindebund lud die wichtigsten Stakeholder der österreichischen Nahversorgung, Gemeinden und neue Anbieter zu einer offenen Diskussion über die Zukunft der Nahversorgung.Dass beim Thema Nahversorgung Wirtschaftlichkeit nicht alles ist, zeigte eine Podiumsdiskussion über den Nahversorger als sozialen Treffpunkt und Wohlfühlort. Mit Anton Kasser, Bürgermeister von Allhartsberg (NÖ), Herbert Walkner, Bürgermeister von St. Koloman (Sbg.), Josef Ofner, Bürgermeister von Hüttenberg (Ktn.), Christian Haider, Leiter der NÖ Dorf- und Stadterneuerung und Bürgermeister Thomas Heissenberger aus Hochneukirchen-Gschaidt (NÖ) diskutierten Vertreter aus den Gemeinden darüber, was es für eine einen Ort bedeutet, keinen Nahversorger zu haben und welche Lösungen sie für ihre Gemeinden gefunden haben. „Mit der Schließung des letzten Nahversorgers geht das Leben in den Gemeinden verloren“, so Anton Kasser. Bürgermeister Herbert Walkner erzählte in der Podiumsdiskussion von kreativen Wegen, die die Gemeinde St. Koloman beschreitet, um ihre Bürger:innen mit Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs zu versorgen. So etwa durch gemeinschaftliche Fahrten zum Einkaufen für weniger mobile Personen oder die Umfunktionierung von Betriebsflächen. Auch Walkner sieht den Nahversorger als wichtigen sozialen Treffpunkt in der Gemeinde. Mittlerweile hat man es geschafft, einen Pächter für einen neuen Nahversorger für St. Koloman zu finden – nach großen Bemühungen der Gemeinde. Walkner: „Als Gemeinde sind wir dafür zuständig, dass wir Lösungen finden.“ Josef Ofner, Bürgermeister der Marktgemeinde Hüttenberg in Kärnten, berichtete von den großen Herausforderungen bei der Sicherstellung der Nahversorgung. Von der Metaebene aus betrachtet Christian Haider von der Dorf- und Stadterneuerung die Entwicklung in den Gemeinden. Er sieht die Multifunktions-Lösung als positives, zukunftsträchtiges Modell. Die Digitalisierung eröffnet Haider zufolge viele neue Chancen für abgelegene Regionen. Doch bei allen digitalen Lösungen müsse man den sozialen Aspekt unbedingt mitdenken, beispielsweise über digitale Austauschplattformen. Als Prozessbegleiter ermutigte er die Gemeinden auch zu Kooperationen mit der Forschung: Etwa bei der Frage, wie man die Menschen zu den Nahversorgern bringen kann. Nahversorgung an Ehrenamtliche auszulagern, sieht er hingegen kritisch. Ein Positivbeispiel mit kreativer Lösung stellt die Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt dar: Bürgermeister Thomas Heissenberger erzählte von dem Modell eines genossenschaftlich betriebenen Wirtshauses. Es zeigt, dass man mit viel Vorüberlegung, Kreativität und Bürgerbeteiligung nachhaltige Lösungen finden kann. Auch der Bürgermeister und Vizepräsident des Österreichischen Gemeindebundes Erich Trummer teilt seine Erfahrungen: Im vierten und letzten Teil dieser Sonderreihe zum Thema Nahversorgung hören wir explizit die Sicht der Gemeinden und erfahren von den praktischen Hürden und innovativen Lösungswegen, die inspirieren, aber auch zum Nachdenken anregen.Einen Nachbericht und weiterführende Informationen zu der Tagung „Hat die Nahversorgung ausgesorgt?“ vom 13. Mai 2025 finden Sie unter https://gemeindebund.at/termine/nahversorgungsevent-am-13-mai-2025/.
Österreichischer Gemeindebund