Das hier ist die erste Sonderfolge, bei der ich die Chronologie der Geschichtserzählung für einen Moment verlasse, um ein besonderes Phänomen zu verstehen.
Bei den Recherchen zu den letzten beiden Folgen bin ich auf etwas gestoßen, dem ich nachgehen möchte. Als ich in Quedlinburg war, um mir die Heimat der Ottonen anzuschauen, erklärte mir die nette Domführerin, dass, die Krypta mit dem Heinrichsgrab für die Nationalsozialisten und insbesondere Heinrich Himmler zur Nazizeit ein ganz wichtiger Weiheort gewesen sei. Die Hakenkreuze, die damals in der Krypta angebracht wurden, sind inzwischen abgeschlagen.
Auch in Haitabu, der ehemaligen Wikingerzentrale an der Schlei, standen die Ausgrabungen ab 1934 unter der Schirmherrschaft von Heinrich Himmler. Die Nationalsozialisten ließen dort auch eine Freilichtbühne bauen, die es nocht heute gibt.
Warum war das frühe Mittelalter für die Nazis so wichtig? Und was bedeutet das für die Geschichtserzählung heute?
Darüber spreche ich mit Ralf Grabuschnig. Er ist Historiker und betreibt den Geschichtspodcast "Déjà-Vu - Geschichte"
Seinen Podcast und seinen Newsletter, den "Geschichtshappen", findet Ihr hier:
https://linktr.ee/ralfgrabuschnig
--------
36:15
--------
36:15
#13 Otto der Große und Adelheid - Das Dreamteam
Willkommen am Anfang der deutschen Geschichte. Nicht irritiert sein: Ja es ist die Folge 13, aber trotzdem nimmt die Geschichte Deutschlands hier einen neuen Anlauf. Denn mit dem Ostfrankenreich und einer eigenen Königsfamilie bildet sich eine Struktur heraus, die man grob als Vorläufer des heutigen Deutschlands bezeichnen könnte.
Es waren ausgerechnet die Norddeutschen, die Niedersachsen, die die frühen Könige Deutschlands stellten. Karl der Große hatte sie erst 100 Jahre zuvor blutig unterworfen und zu Christen gemacht. Jetzt beherrschten sie das Ostfrankenreich, also das spätere Deutschland.
Wir sind im 10. Jahrhundert also kurz vor der Jahrtausendwende. Das große Frankenreich war praktisch unregierbar geworden. Zuerst hatten die Überfälle der Wikinger auf Köln, Trier, und Paris hatten bewiesen, wie wehrlos riesige fränkische Reich war. Dann kam eine noch viel größere Bedrohung aus dem Osten: Die Ungarn terrorisierten mit Pfeil und Bogen auf schnellen Pferden die Menschen zwischen Rhein und Elbe. Auf ihren jahrelangen Raubzügen verbreiteten die Magyaren Angst und Elend . Sie nahmen Geiseln und erpressten Lösegelder. Die Herrscher in den Regionen zwischen Rhein und Elbe einigten sich schließlich auf einen eigenen König, der stark genug war, die Ungarn zurückzudrängen. Das war ein Sachse, also ein Norddeutscher, aus dem Harz: Heinrich I.
Die Ungarn waren die existentielle Bedrohung des jungen Reiches. Die Magyaren unternahmen weitausgreifende Streifzüge tief in den Westen hinein. Sie plünderten, mordeten und waren kaum zu stoppen. Sie suchten jahrzehntelang das Reich heim, bis es im Jahr 955 zu der Entscheidungsschlacht kam. Inzwischen war Heinrich I. gestorben und sein Sohn Otto war zu seinem Nachfolger bestimmt worden. Die Schlacht auf dem Lechfeld war die wichtigste Bewährungsprobe für den König: Die Ungarn hatten ein beeindruckend übermächtiges Heer vor den Toren Augsburgs versammelt. König Otto I. verfügte dagegen nur über eine kleine Truppe, die aus Kriegern von unterschiedlichen Gefolgsleuten bestand. Keine eingeübte Armee. Er war praktisch chancenlos. Doch wie durch ein Wunder schlugen seine Soldaten die übermächtigen Magyaren für immer in die Flucht.
Seine zweite Frau, Adelheid, war die junge verwitwete Königin Norditaliens und der mutmaßliche Mörder ihres Mannes hielt sie in einer Burg über dem Gardasee gefangen. Otto eilte ihr mit einem Heer über die Alpen zur Hilfe. Und wie im Märchen, heirateten die beiden tatsächlich. Mit ihrem Ja-Wort machte Sie ihn 951 zum König Norditaliens. Als der Papst ihn neun Jahre später um Hilfe bat, überquerten Adelheid und Otto mit einem Heer die Alpen und retteten den bedrängten Papst. Voller Dankbarkeit salbte der Papst Adelheid zur Kaiserin und Otto zum Kaiser.
Über dieses Powerpaar in der deutschen Geschichte spreche ich mit der Historikerin Prof. Dr. Gisela Muschiol von der Uni Bonn.
Ihre Reiseziele:
Top 1: Quedlinburg
https://www.quedlinburg-info.de/de/
Top 2: Kloster Cluny
https://www.cluny-abbaye.fr/de/entdecken-sie/geschichte-der-abtei-von-cluny
Top 3: Magdeburger Dom
https://www.magdeburg-tourist.de/dom
#Europa #Westeuropa #Deutschland #Mittelalter
--------
49:02
--------
49:02
#12 Die Wikinger kommen
Die Wikinger: "Vikings" oder "Hey, hey Wickie"...? Unser Ausgangspunkt ist der Winter des Jahres 881. Viele Skandinavier nahmen ihre Wikingertätigkeit auf und starteten einen Raubzug über Europas Flüsse. Sie fuhren den Rhein von der Mündung aus stromaufwärts und plünderten Neuss, Jülich, Köln, Bonn und Andernach. Dann verließen sie ihre Schiffe und zogen über Land weiter nach Aachen. Dort brannten sie die kaiserliche Pfalz von Karl dem Großen nieder und zündeten sein berühmtes Thermalbad an. Seine Grabstätte nutzten sie als Pferdestall. Und der Raubzug ging weiter: Zu Ostern brannten sie Trier nieder. Die Wikingerüberfälle zeigten den Menschen, wie wehrlos das riesige Frankenreich und ihr aktueller König und Kaiser war. Karl der Dicke, Urenkel von Karl dem Großen, hatte das Glück oder Pech, dass alle anderen männlichen Familienmitglieder der Karolinger ohne Erben starben. Das vorher mehrfach geteilte Reich übernahm Karl der Dicke nach und nach und wieder in eine Hand. Er war der letzte Herrscher der Karolinger, der über das vereinte ost- und westfränkische Reich herrschte.
Und dass er der Letzte war, das hat auch mit den Wikingern zu tun. Sie verstärkten das Chaos in seinem Riesenreich . Die Wikingerüberfälle zeigten dem Adel, wie wenig wehrhaft das große Frankenreich war. Mit ihren Raubzügen legten die Wikinger ihre Finger auf die Schwachstellen.
Mit Matthias Toplak dem Museumdirektor der einzigen Wikingersiedlung in Deutschland, Haithabu, spreche ich über das "Winkinger-Leben" und wie der skandinavische "Raubhandel" die europäische Entwicklung disruptiv beschleunigte.
Seine Top 3 Reisetipps:
Top 3 : Wikingerregion Oslo
https://www.visitoslo.com/de/artikel/wikinger/
Top 2: Birka im Mälarensee, Schweden
https://www.birkavikingastaden.se/?utmmedium=organic&utmsource=google-my-business&utm_campaign=sv-se-google.my.business.birka-birka.the.viking.city-stockholm-awareness
Top1: Haitabu
https://haithabu.de
#Mittelalter #Deutschland #Westeuropa #Europa
--------
36:34
--------
36:34
#11 Karl der Große - Aachen die Zentrale der Macht
Karl der Große oder Charlemagne ist einer der Gründerväter Europas. Aachen war die Zentrale seiner Macht im frühen Mittelalter. Ein ambivalenter Charakter. Gnadenlos brutal bei der Durchsetzung des Glaubens und einfühlsam in der Förderung der Kultur.
Wir befinden uns im 8. Jahrhundert nach Christus. Das Römische Reich ist im Westen untergegangen. Von den vielen kleinen mitteleuropäischen Völkern haben sich die Franken zur dominierenden Macht entwickelt. Karl, 747 als fränkischer Königssohn geboren, wurde ihr berühmtester Anführer. Er regierte 46 Jahre und entwickelte sich zum mächtigsten Herrscher Europas.
Das, woran die Römer 700 Jahre vor ihm gescheitert waren, gelang Karl dem Großen. Er eroberte die ehemaligen germanischen Gebiete rechts des Rheins. Westfalen, Nord- und Mitteldeutschland bis an die Elbe. Die Menschen, die dort lebten, nannten sich Sachsen. Bis sich die letzten Sachsen in Norddeutschland taufen ließen, brauchte Karl 32 Jahre und viele blutige Feldzüge.
Andererseits setze er als Herrscher auf Kultur, umgab sich mit Gelehrten aus ganz Europa und kämpfte gegen den Verfall des Wissens. Sogar um die richtige Art zu Schreiben kümmerte er sich: Ihm verdanken wir die einheitliche Groß- und Kleinschreibung in Europa.
Neben dem Ausbau der Verwaltungsstrukturen förderte Karl Kunst, Bildung und Wissenschaft. Er löste einen regelrechten Aufschwung der Kultur im ganzen Reich aus.
Warum er vor dem hilfesuchenden Papst nach Paderborn auswich und Weihnachten 800 n. Chr. eigentlich nicht auf diese Weise zum Kaiser gekrönt werden wollte, bespreche ich mit Gisela Muschiol, Professorin für Kirchengeschichte an der Uni Bonn.
Ihr Top 3 Reiseziele:
Top 3
Die Kaiserpfalz in Ingelheim
https://kaiserpfalz-ingelheim.de/
Top 2
Ravenna
https://emiliaromagnaturismo.it/de/orte/ravenna
Top 1
Aachen
https://www.aachenerdom.de/
#Mittelalter #Deutschland #Europa #Westeuropa
--------
46:45
--------
46:45
#10 Lioba und Bonifatius: Die Engländer missionieren die Deutschen
Man weiß nicht, ob sie 25 oder 35 Jahre alt war. Jedenfalls war sie eine Frau voller Tatkraft. 735 n. Chr. reiste Lioba von der englischen Südküste nach Mainfranken, um die Süddeutschen zu missionieren. Sie verließ ihr Heimatkloster in Wessex, fuhr und wanderte 1000 km bis nach Tauber-Bischofsheim. Dort gründete sie mehrere Klöster und brachte jungen Mädchen lesen und schreiben bei.
Sie gehörte zu einer ganzen Gruppe englischer Nonnen und Mönche, die die Bayern, Thüringer und die Friesen zu Christen machten. Allen voran ihr Onkel Winfrid, besser bekannt als Bonifatius, ein hochgebildeter englischer Geistlicher, dessen Lebensziel es war, die ehemaligen Germanen zu bekehren.
Wir befinden uns im frühen Mittelalter im Jahr 735. Die Römer hatten seit 200 Jahren die Kontrolle über das Rheinland, Frankreich und Britannien verloren. Auf dem Kontinent sprang ein brutaler Clan in diese Machtlücke: Die Merowinger. Die herrschten über Frankreich, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Thüringen und Bayern. Ihre Führungselite war zum Christentum konvertiert, deshalb unterstützten sie die englischen Missionare.
Die Idee eines Deutschlands gab es damals noch nicht. Auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik herrschten 735 n. Chr. eher chaotische Zustände.
Liobas Onkel, Bonifatius, wurde 754 auf einer Missionsreise nach Friesland in Dokkum, im heutigen Holland, erschlagen.
Lioba baute nicht nur ein Netzwerk von Klöstern auf sondern beriet die Bischöfe bei der Etablierung der römischen Kirche in Deutschland.
Als Seniorin verließ Lioba Tauberbischofsheim. Sie verbrachte ihren Lebensabend nicht in einem ihrer Klöster. Stattdessen schenkte ihr Karl der Große Gut Schornsheim in der Nähe von Mainz.
Über diese Frauenpower im frühen Mittelalter spreche ich mit Gisela Muschiol und Schwester Jakoba Zöll vom Institut für Kirchengeschichte der Uni Bonn.
Ihre Reisetipps:
Top 3
Kloster St. Walburg in Eichstätt
https://www.abtei-st-walburg.de/startseite/
Top 2
Fulda Dom und Domschatz
https://www.bistum-fulda.de/bistumfulda/kunstmusik/kunst/dommuseum/
https://www.tourismus-fulda.de/
Top 1
Petersberg bei Fulda, Liobas Grabeskirche
https://www.rhoenfuehrer.de/ausflugsziele/sehenswuerdigkeiten/kirchen-kloester/grabeskirche-st-peter-liobakirche/3076
#Mittelalter #Deutschland #Europa #Westeuropa
Die deutsche Geschichte vom Neandertaler bis Angela Merkel. Die Podcastserie reist in 99 Folgen durch die deutsche Geschichte. Du lernst spannende Orte und Expertinnen kennen und bekommst den Überblick über das, was war.