Holger Meins ist tot! Die Instrumentalisierung der Toten des deutschen Linksterrorismus und die Auswirkungen auf Hessen
Am 9. November 1974 starb Holger Meins während des 3. Hungerstreiks in der Justizvollzugsanstalt Wittlich und wurde posthum zu einem Symbol für den vermeintlichen „Märtyrertod“ im deutschen Linksterrorismus. Diese Folge der Podcastreihe „Die RAF in Hessen“ beleuchtet, wie der Tod von Meins nicht nur die RAF-Anhänger radikalisierte, sondern auch das linke Milieu in Hessen mobilisierte. Duška Roth und der Lorenz Hoffmann sprechen mit dem Historiker Kevin Lenk, der den Tod von Holger Meins und dessen Bedeutung für die radikalen linken Szenen sowie die politische Propaganda der RAF erforscht hat. Die Zeitzeuginnen Renate Assmus und Ulrike Fabricius berichten von den spontanen Protesten und dem Gefühl der Empörung, das die Szene erfasste. Auch die „Aktion Winterreise“, eine bundesweite Fahndungsaktion, die das linke Milieu insbesondere auch in Hessen ins Visier nahm, wird thematisiert und zeigt, wie der Staat auf die Eskalation reagierte.
Skripterstellung: Duška Roth, Lorenz Hoffmann und Robert Wolff
Moderation: Duška Roth und Lorenz Hoffmann
Interviewpartner: Kevin Lenk, Renate Aßmus, Ulrike Fabricius
Musik: Olaf Parusel
Abmischung: Fabiana Blasco
Timestamps:
00:01 - Zwangsernährung im Gefängnis und RAF in Hessen
02:27 - Tod von Holger Meins und folgende Ereignisse
06:14 - RAF nutzt Haftbedingungen als Propaganda
11:05 - Aktion Winterreise und Mobilisierung in der Linken
12:46 - Juristische Aufarbeitung der Baader-Meinhof-Gruppe
14:32 - Druck und Überwachung der linken Szene
18:29 - “Fabricius-Dudek-Bande” und Hoffnung auf Informationen
22:33 - Dreiteilung der Aktivitäten und Ziele der Aktion Winterreise
24:05 - Ohnmachtserfahrung der Linken und Krise in der Szene
26:02 - Entscheidungspunkt für die Linke und Radikalisierung
28:25 - Ulrike Fabricius in Frankfurt und Abkehr von Radikalisierung
30:07 - Winterreise und Hausdurchsuchung
31:39 - Aktion Winterreise als Zäsur und Druck durch Repressionen
31:53 - Abschluss und Ausblick
Literatur und Links:
Lenk, K.: Tod und Gemeinschaft. Die politische Instrumentalisierung der Toten des deutschen Linksterrorismus 1971–1977, Berlin: De Gruyter Oldenbourg, 2024 (in Druck): https://www.degruyter.com/document/isbn/9783111504377/html?lang=de .
Terhoeven, P.: Die Rote Armee Fraktion. Eine Geschichte terroristischer Gewalt, München: C.H. Beck, 2022: https://hlz.hessen.de/publikationen/publikationsverzeichnis/details/die-rote-armee-fraktion/.
https://www.bpb.de/mediathek/video/190754/die-aktion-winterreise-gegen-die-raf/
“Es werden Typen dabei kaputtgehen”, Spiegel 47/1974: https://www.spiegel.de/politik/es-werden-typen-dabei-kaputtgehen-a-605c8de5-0002-0001-0000-000041651325
“Bericht zur Zwangsernährung ZA” von Holger Meins: https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019741011_5.pdf
--------
32:16
Der Staat rüstet auf – Das Konzept ‚Innere Sicherheit‘ und der Aufbau der Terrorismusbekämpfung in Hessen
In dieser Folge sprechen wir mit Robert Wolff über die Entwicklung der Terrorismusbekämpfung und das Konzept der "Inneren Sicherheit" in der Bundesrepublik Deutschland. Der Fokus liegt besonders auf den neuen operativen und technischen Strukturen, die in den 1970er Jahren in Hessen entstanden sind. Ausgehend von der Festnahme des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette im Februar 2024 diskutieren wir die langanhaltende Bedrohung durch die RAF, die Reaktionen des Staates, und wie diese die heutige Sicherheitsarchitektur speziell in Hessen geprägt haben.
________________________________________
Skripterstellung: Duška Roth, Lorenz Hoffmann und Robert Wolff
Moderation: Duška Roth und Lorenz Hoffmann
Interviewpartner: Robert Wolff
Musik: Olaf Parusel
Abmischung: Fabiana Blasco
________________________________________
Timestamps:
00:19 – Einleitung
00:40 – Festnahme von Daniela Klette im Februar 2024
05:19 – Reaktion des Staates: Härte zeigen
06:19 – Überblick: Entstehung der modernen Sicherheitsarchitektur in der Bundesrepublik Deutschland seit den 60er Jahren
09:54 – BKA Chef Horst Herold und seine Rolle ab 1971
10:53 – Ausbau des BKA und der Verfassungsschutzbehörden
11:18 – Personalaufstockung in der Bereitschaftspolizei und dem BKA
12:32 – Der Begriff „Innere Sicherheit“
15:04 – Terrorismus als Spannungsfeld zwischen Staat, Terroristen, Öffentlichkeit
17:02 – Konkrete Maßnahmen: bessere Koordinierung der Sicherheitsbehörden
17:32 – Internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden
18:12 – Sicherheitspolitik und europäische Zusammenarbeit
18:53 – Demonstrationsbekämpfung: Frankfurter Häuserkampf und neue Polizeistrategien
19:21 – Aufbau mobiler Einsatzkommandos (MEK) in Hessen
20:23 – Festnahme der Gruppe 4.2: Erster Erfolg der MEK
20:58 – Überlastung des Verfassungsschutzes durch den Radikalenerlass
22:57 – Langfristige Sicherheitsmaßnahmen: SEK, GSG9 und mobile Einsatzkommandos
24:14 – Debatten über Exekutivorgane und Informationsgewinnung
24:53 – Fahndungsmethoden von den 70ern bis heute
25:26 – Nachrichtendienste und Herausforderungen bei V-Personen
26:04 – Frankfurter Häuserkampf und die Polizei
27:39 – Erfolge der Frankfurter Polizei
29:20 – Der Begriff „Terrorismus“ und seine Entwicklung
31:19 – Frankfurt als wichtiger Stützpunkt der RAF
33:09 – Vorschau: Die „Aktion Winterreise“
--------
34:33
Eine zweite RAF-Generation? Die Gruppe 4.2. und der Neuaufbau der RAF-Strukturen
Am 4. Februar 1974 wurden zeitgleich in Hamburg und Frankfurt am Main Mitglieder von zwei neuen Gruppen der Roten Armee Fraktion durch die Ermittlungsbehörden festgenommen. Aber wie war das möglich? Die führenden RAF-Mitglieder saßen doch in Untersuchungshaft und die Ermittlungsbehörden waren doch lange davon ausgegangen, dass die RAF bereits Geschichte sei. In Folge fünf unserer Podcast-Reihe „Die RAF in Hessen“ geht es um den Neuaufbau und die Entstehung der „2. Generation“ der RAF. Wie entwickelten sich diese neuen Gruppen und wer waren die Akteurinnen und Akteure? Dr. Tobias Wunschik, der führende Experte für die „2. Generation“, stellt uns die Zusammenhänge dar und erklärt, welche Rolle die DDR beim Neuaufbau der RAF spielte.
________________________________________
Skripterstellung: Duška Roth, Lorenz Hoffmann und Robert Wolff
Moderation: Duška Roth und Lorenz Hoffmann
Sprecherin: Birgit Venus
Interviewpartner: Dr. Tobias Wunschik
Musik und Abmischung: Olaf Parusel
________________________________________
Timestamps:
00:00: Verhaftung Gruppe 4.2.
01:06: Einstieg in die Folge und Rückblick
02:15: Befreiung der Inhaftierten als neues Ziel
02:43: Margrit Schiller und Gruppe 4.2.
04:00: Lückenhafte Erinnerung der Zeitzeugen und Zeuginnen
04:27: Gruppe 4.2. und die Behörden
05:19: Spiegel Artikel vom 10.2.1974 zum Verhältnis der Behörden und RAF
06:17: Versteckte Gegenstände (Waffen, Munition, Schlüssel, etc.) lassen Behörden glauben die RAF sei am Ende
07:48: Margrit Schiller zum Konzept Stadtguerilla
08:30: Schillers RAF Vergangenheit vor 1974
09:23: Hafterfahrung Schiller
10:56: Schiller wird aus Haft entlassen und von RAF kontaktiert
11:53: Schiller geht erneut in die Illegalität
12:30: Mangelnde Erfahrung und Infrastruktur der Gruppe
13:50: Aufbau internationaler Kontakte
14:15: Vorwürfe der ersten Generation an Gruppe 4.2. nach Verhaftung
15:55: Zweite Generation
18:07: Quellenlage bei der Erforschung der zweiten Generation der RAF
21:08: Motivation der zweiten Generation für den „Kampf“
22:49: Kommunikation zwischen inhaftierten Mitgliedern und den Genossen draußen
25:23: Rolle der RAF-Anwälte
28:40: Forderungen aus den Gefängnissen // Baader fordert Militanz
30:00: Internationale Kontakte der zweiten Generation
30:53: RAF und die DDR
33:16: Outro
Literatur und Links:
Margrit Schiller: Es war ein harter Kampf um meine Erinnerung: Ein Lebensbericht aus der RAF. Piper, München, Zürich 2001.
Tobias Wunschik: Baader-Meinhofs Kinder: Die Zweite Generation der RAF. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden 1997.
Der BM-Kode wurde geknackt, DER SPIEGEL 7/1974: https://www.spiegel.de/politik/der-bm-kode-wurde-geknackt-a-3c8d19e1-0002-0001-0000-000041784110.
--------
33:52
Im Schatten der RAF? Die Entstehung der Revolutionären Zellen 1972-1973 in Hessen
Vor 50 Jahren erschütterten heute vergessene Anschläge auf ITT-Niederlassungen und Tochterfirmen die westliche Welt und die Bundesrepublik. Zwischen 1972 und 1973 formierte sich im Schatten der Roten Armee Fraktion die heute fast vergessene erste Revolutionäre Zelle, aus der das international best vernetzte und aktivste linke Gewaltnetzwerk der Geschichte der Bundesrepublik entstehen sollte: die Revolutionären Zellen. Die bis dato unbekannte Revolutionäre Zelle bekannte sich zu den Anschlägen in West-Berlin und Nürnberg.
In der vierten Folge der Podcastreihe "Die RAF in Hessen" mit dem Titel "Im Schatten der RAF? Die Entstehung der Revolutionären Zellen 1972-1973 in Hessen", erörtern das ehemalige Mitglied der Revolutionären Zellen, Gerd-Hinrich Schnepel, und der Historiker Robert Wolff von der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung die Hintergründe und Ereignisse, die zur Entstehung dieser Gruppe führten. Sie bieten eine detaillierte Analyse der Aktivitäten der Revolutionären Zellen in Hessen. Diese Episode enthält subjektive Wahrnehmungen und Darstellungen von Ereignissen durch den Zeitzeugen Gerd-Hinrich Schnepel, was einen tiefgreifenden Einblick in diese historisch bedeutsame Epoche ermöglicht.
ShownotesSkripterstellung: Duška Roth, Lorenz Hoffmann und Robert Wolff
Moderation: Duška Roth und Lorenz Hoffmann
Gäste: Gerd-Hinrich Schnepel, Robert Wolff
Musik und Abmischung: Olaf Parusel
Timestamps:
00:00: Einstieg Folge
03:00: Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Revolutionären Zelle (RZ)
04:45: RAF und politische Gewalt
06:00: Phantom RZ
06:35: RZ = Gegen RAF?
08:44: Woher kommen die RZler
10:18: Studentenbewegung in Erlangen
11:33: Post `68 – Linksmilitante Strukturen, speziell in Frankfurt am Main
13:37: Black Panther Solidaritätskomittee und Waffen
15:15: Frage der Gewalt in Frankfurt am Main
16:30: Vielfalt der Post `68-Szene und Probleme
18:22: Bedeutung von KD Wolff für die Szene
21:05: Wilfried Böse und die RAF
22:52: Konflikt zwischen der Bewegung 2. Juni und der RAF
22:24: Was macht Schnepel nach der Studentenbewegung?
26:54: Bedeutung von Buchhandlungen und Verlagen
28:42: Anwerbung Schnepel RZ
31:01: Struktur der RZ
34:00: RZ-Aktionen
35:02: Kommunikation innerhalb der dezentralen Struktur
36:42: Konzept RZ
40:42: Bedeutung von Schnepels Buchladens und Druckerei für die RZ
42:24: Kommunikation untereinander und mit anderen Gruppen
43:40: Gewaltfrage
45:14: “Internationale RZ” und die Gewaltfrage
48:11: ITT-Anschlag
52:23: Erstes Bekennerschreiben der RZ
54:24: Neuaufbau der RAF und die Rolle der RZ
--------
59:28
Haftbedingungen, Hungerstreiks und der erste Prozess gegen die RAF 1972-1973
Nach der „Mai-Offensive 72“ stand die Solidarität zur RAF in der westdeutschen Bevölkerung auf einem Tiefpunkt. Der Fahndungsdruck auf die Gruppe wurde durch vermehrten Einsatz schwerbewaffneter Polizeibeamter in der gesamten Bundesrepublik zunehmend verstärkt. In dieser gesellschaftlichen Situation erfolgten die Verhaftungen der RAF-Gründungsmitglieder, wohlgemerkt in fast allen Fällen durch Hinweise aus der Bevölkerung. Die Aktivitäten der „ersten RAF-Generation“ in der Illegalität nahmen mit den Verhaftungen ein rasches Ende; bis zur Stockholm-Besetzung im Jahr 1975 wurde die RAF für keine mit der „Mai-Offensive“ vergleichbaren Taten verantwortlich gemacht. Viele Politikerinnen und Politiker atmeten auf: die zu diesem Zeitpunkt kurze Geschichte der RAF schien bereits beendet. Wie falsch diese Einschätzung war, sollte sich in den nächsten Jahren zeigen.
Folge 3 erzählt die Geschichte der RAF ab der Verhaftungswelle im Juni/Juli 1972 bis zum Ende des Jahres 1973 mit Schwerpunkt auf Hessen nach. In diese Phase fällt die Einrichtung des „infos“, der erste große Prozess gegen Horst Mahler in Berlin, die ersten beiden Hungerstreiks der inhaftierten RAF-Mitglieder sowie die Versuche von nicht verhafteten Mitgliedern und Unterstützerinnen und Unterstützer, die Gruppenstrukturen der RAF wiederaufzubauen und zu professionalisieren. Die Folge enthält subjektive Wahrnehmungen von den Zeitzeuginnen Renate Aßmus und Ulrike Fabricius und dem Zeitzeugen und RAF-Anwalt Kurt Groenewold, die von der Moderation in den breiten historischen Kontext eingeordnet werden.
ShownotesSkripterstellung: Duška Roth, Lorenz Hoffmann und Robert Wolff
Moderation: Duška Roth und Lorenz Hoffmann
Gäste: Renate Aßmus, Ulrike Fabricius und Kurt Groenewold
Musik und Abmischung: Olaf Parusel
Timestamps:
00:00: Rückblick Mai-Offensive 1972 und Verhaftungswelle
03:35: Haftbedingungen der RAF-Mitglieder
08:07: Solidarität mit den inhaftierten RAF-Mitgliedern
14:38: Das Info als zentrales Kommunikationsmittel der RAF-Gefangenen
18:17: Unterstützung von Außen – Diskussionen
19:27: Debatte: politische Gefangene oder Kriminelle?
20:50: Debatte: Die „Sympathisanten“
23:05: Prozess Horst Mahler
24:47: Haftbedingungen und 1. Hungerstreik
28:42: Aktivitäten Rote Hilfe Frankfurt am Main
31:10: 2. Hungerstreik
31:44: Pressekonferenz Paris und Pressemitteilung Kirchentag
35:10: Zersplitterung der Linken und Ausblick Folge 4
Literatur:
Terhoeven, Petra (2022): Die Rote Armee Fraktion. Eine Geschichte terroristischer Gewalt, https://hlz.hessen.de/publikationen/publikationsverzeichnis/details/die-rote-armee-fraktion/
ID Verlag (Hrsg.) (1997): Rote Armee Fraktion - Texte und Materialien zur Geschichte der RAF: https://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Stadtguerilla+RAF/RAF/raf-texte+materialien.PDF
Aufsätze:
Wolff, Robert (2020): Folter und Mord an den „Helden des Volkes“ in bundesdeutschen Justizvollzugsanstalten? Das konspirationistische Weltbild der Roten Armee Fraktion, 1970–1977, https://imdialog.akademie-rs.de/ojs/index.php/idadrs/article/download/256/198/
Wir folgen in der Podcast-Reihe den Spuren der RAF in Hessen von den ersten Anschlägen der Gruppe im Mai 1972 bis zur Auflösung und zeigen, welche wechselvolle Geschichte das Land Hessen mit der Geschichte der RAF verbindet.