Die Historikerin Friederike C. Hartung analysiert in ihrer Studie den mangelhaften Zustand der bodengebundenen Luftverteidigungsfähigkeiten der Bundeswehr. Ein Geschwader in Husum - etwa 2300 Mann stark - statt 18600 Soldaten in 6 Flugabwehrregimentern zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes - verteilt über ganz Westdeutschland - das beschreibt das Ausmaß der Schrumpfung der bodengebundenen Luftverteidigungsfähigkeiten der Bundeswehr sehr anschaulich.
Wie kam es aber zu diesem Abbau von Fähigkeiten? Welche Konsequenzen resultieren daraus für die Landes- und Bündnisverteidigung? Wie kann man den künftigen Bedrohungen - vor allem durch ballistische Raketen - begegnen? Diesen Fragen geht die Autorin in ihrem Werk nach. In diesem Zusammenhang betrachtet sie auch Deutschlands Militärpolitik in der NATO sowie die Auswirkungen der jahrzehntelangen Unterfinanzierung der Bundeswehr. Ausgehend von der Geschichte der Abwehr ballistischer Raketen beschreibt die Autorin den Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa als fortwährendes Streitthema zwischen Russland und der NATO. Gleichzeitig verweist die Autorin darauf, dass gerade auch die deutsche Russlandpolitik die Verzögerung des Aufbaus der NATO-Raketenabwehr mit zu verantworten hatte. Insgesamt stellt sich auch die Frage, wie Deutschland in Zukunft die Abwehr ballistischer Raketen sowohl zum eigenen als auch zum Schutz von Bündnispartnern sicherstellen will.
FazitDas vorliegende Werk von Friederike C. Hartung schildert eindrücklich die Notwendigkeit, die Fähigkeiten zur bodengebundenen Luftverteidigung zügig aufwachsen zu lassen, so dass im Resultat kriegstaugliche Luftverteidigungssysteme sowohl für die Bundesrepublik als auch die NATO zur Verfügung stehen, denn sowohl der Schutz des eigenen Staatsterritoriums sowie der eigenen Bevölkerung und als auch der Bündnispartner ist - gerade auch angesichts der aktuell angespannten Sicherheitslage - unverzichtbar.
Dr. Friederike C. Hartung ist Historikerin am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam.
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16:07
Ostpreußen 1944/45: Krieg im Nordosten des Deutschen Reiches
In dieser Folge von "Angelesen", dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr stellen wir das Buch Ostpreußen 1944/45: Krieg im Nordosten des Deutschen Reiches vor. Es erschien 2016 im Verlag Schöningh.
Der Militärhistoriker Richard Lakowski, der bis zum Eintritt in den Ruhestand 1996 Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamts war, befasst sich im Rahmen der vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr herausgegebenen Reihe "Zeitalter der Weltkriege" mit dem Kampfgeschehen, das sich 1914/15 und 1944/45 in Ostpreußen zwischen Deutschen und Russen bzw. Sowjets abgespielt hat. Dabei wird vor allem die operative Ebene betrachtet. 1914/15 gelang es den Deutschen, unter Ausnutzung der Vorteile, die die Geographie Ostpreußens dem Verteidiger bot, die eingefallenen russischen Truppen aus der Provinz hinauszudrängen.1944/45 standen weitgehend abgekämpfte Wehrmachtsverbände weit überlegenen sowjetischen Truppen gegenüber. Dass diese trotz erdrückender Überlegenheit Monate zur Eroberung der Provinz benötigten, hing mit strukturellen Gegebenheiten - insb. zentralistischer Moskauer Führung statt Führens mit Auftrag - sowie mit Fehlern der sowjetischen Truppenführer vor Ort zusammen. Die Schlacht um Ostpreußen band rund 1,5 Millionen Mann, die für den sowjetischen Hauptstoß auf Berlin nicht zur Verfügung standen. Sie verlängerte so die Lebensdauer des NS-Regimes, ermöglichte allerdings auch die Evakuierung zahlreicher Flüchtlinge über die Ostsee Richtung Westen.
FazitDie Gesamthöhe der deutschen Verluste in Ostpreußen zwischen Januar und Ende April 1945 ist nicht bekannt. Für die Rote Armee gibt Lakowski Gesamtverluste von rund 585 000 Mann an, darunter gut 126 000 Gefallene. Als Fazit hält der Autor fest, dass die Schlacht um Ostpreußen „bedeutsame Kräfte der Roten Armee band, die für die geplante Fortsetzung der Weichseloffensive nach Erreichen der Oder fehlten“. Sie verlängerte somit die Existenz des Hitler-Regimes, rettete aber auch vielen Flüchtlingen das Leben, die die Kriegsmarine, verstärkt durch zahlreiche zivile Schiffe, bis April 1945 über die Ostsee Richtung Westen evakuierte.
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16:01
Brennender Enzian: Die Operationsplanung der NATO für Österreich und Norditalien 1951 bis 1960
In dieser Folge von "Angelesen", dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr stellen wir das Buch von Dieter Krüger, "Brennender Enzian. Die Operationsplanung der NATO für Österreich und Norditalien 1951 bis 1960" vor. Es erschien erstmalig im Jahr 2010 im Rombach-Verlag.
Dieter Krüger beschreibt in seiner operationsgeschichtlichen Studie einen entworfenen Plan zur Verteidigung des Alpenraumes und Norditaliens gegenüber einem Angriff der Sowjetunion und ihrer Partner. Die Studie beruht auf vorher unveröffentlichten mikroverfilmten Unterlagen eines damaligen NATO-Kommandos der Landstreitkräfte in Südeuropa ("Landsouth") aus den Jahren 1951 bis 1960. Anhand der vorliegenden Dokumente gibt Dieter Krüger einen Einblick in das damalige Verständnis der Landkriegführung im Alpenraum. Bereits Anfang der 1950er Jahre dachte das damalige NATO-Kommando "Landsouth" über den Einsatz von Atomsprengköpfen gegen die Angriffsrouten der Gegner nach. Aufgrund der geografischen Besonderheiten des Einsatzgebiets wurde von einer erheblichen Vernichtungs- und Sperrwirkung durch den Einsatz atomarer Waffen ausgegangen. Die aus dem Einsatz atomarer Waffen resultierende nukleare Verwüstung der Voralpen- und Alpenlandschaft umschreibt Dieter Krüger mit dem Sinnbild des brennenden Enzians.
FazitWie Krüger anhand vorliegender Bedrohungsanalysen nachweist, hielt die Kommandobehörde "Landsouth" einen Angriff des Warschauer Pakts für unwahrscheinlich. Dennoch wurden Vorbereitungen getroffen, um dem in Europa konventionell überlegenen möglichen Gegner glaubwürdig Abschreckung zu signalisieren. Dieter Krüger ist Historiker und Archivar. Er lehrte an den Universitäten Potsdam, Halle sowie an der Universität der Bundeswehr in München. Dieter Krüger war als Wissenschaftler mehrere Jahrzehnte am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) sowie am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam beschäftigt.
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16:12
Operatives Denken bei Clausewitz, Moltke, Schlieffen und Manstein
In dieser Folge von "Angelesen", dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr stellen wir das vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebene Buch Operatives Denken bei Clausewitz, Moltke, Schlieffen und Manstein vor. Es erschien 1989.
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt brachte das vorliegende Werk 1989 im Zusammenhang mit den vom Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Hans-Henning von Sandrart, seinerzeit initiierten Bemühungen um eine Wiederbelebung des operativen Denkens heraus. Der damalige Amtschef, Brigadegeneral Günter Roth, und drei weitere Mitarbeiter des Forschungsamts haben Beiträge zu dem schmalen Band beigesteuert. Der vorliegende Band enthält vier Aufsätze. Diese beleuchten Überlegungen, die bedeutende Gestalten der preußischen und deutschen Militärgeschichte zum operativen Denken angestellt haben und analysieren eingehend den Westfeldzug der Wehrmacht von 1940 als historisches Beispiel für eine gelungene Operationsführung. Neben der damals innovativen Idee, Panzer nicht taktisch, sondern operativ einzusetzen und dem Überraschungsmoment des Vorgehens durch die Ardennen war es vor allem die beispielhaft praktizierte Führung mit Auftrag, die 1940 diesen Feldzug entschied. Sie hat ihren Wert über alle waffentechnischen Neuerungen und politischen Systembrüche hinweg bis heute behauptet.
FazitDie wesentliche Lehre, die sich aus dem Feldzug von 1940 ziehen lässt ist, dass - über alle waffentechnischen Neuerungen und politischen Systembrüche hinweg - das Führen mit Auftrag immer noch als unverzichtbares Instrument im Gefecht angesehen werden muss.
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16:37
Mythos und Wirklichkeit
In dieser Folge von "Angelesen", dem Buchjournal des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr stellen wir das Buch von Gerhard P. Groß "Mythos und Wirklichkeit. Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer" von Moltke d. Ä. bis Heusinger vor. Es erschien 2012 im Schöningh-Verlag.
Gerhard P. Groß ist Historiker und wirkte bis zu seiner Pensionierung am Militärgeschichtlichen Forschungsamt bzw. Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, zuletzt als Leiter der Forschungsbereichs Militärgeschichte bis 1945. In diesem Buch befasst sich Groß mit dem operativen Denken, das im deutschen Heer seit 1871 angesichts eines möglichen Zweifrontenkriegs gegen Frankreich und Russland an Bedeutung gewann. Das operative Denken erlebte seine Blütezeit im deutschen Militär zwischen den Reichseinigungskriegen 1866-1871 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Deutschen Reich endete auch die große Zeit des operativen Denkens, das in der Tat etwas originär Preußisch-Deutsches war.
FazitDas operative Denken kreiste um die Vorstellung, zahlenmäßig überlegene Gegner durch Initiative, schnelle Beweglichkeit, geschickte Schwerpunktbildung, Ausnutzung des Überraschungsmoments und Umfassung zu schlagen. Es gab Operationen, die gemäß dieser Vorstellung gelangen, z.B. den Frankreichfeldzug von 1940. Das operative Denken konnte die jeweils von vielen anderen Faktoren verursachten deutschen Niederlagen von 1918 und 1945 jedoch nicht verhindern. In der Bundeswehr spielte es daher lange keine Rolle. Erst 1987 bemühte sich der damalige Inspekteur des Heeres, Generalleutnant von Sandrart, darum, die Grundsätze operativen Denkens wieder nutzbar zu machen
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